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Kleben – die Verbindungstechnik des 21. Jahrhunderts
Prof. Dr. Andreas Groß, Experte für Klebtechnik und Oberflächen am Fraunhofer-Institut für Fertigungstechnik und Angewandte Materialforschung (IFAM) in Bremen, legte zu Beginn des 2. VTH-Thementags „Klebtechnik“ dar, warum im Kleben die Verbindungstechnik des 21. Jahrhunderts zu sehen ist. Er machte dies an vier Merkmalen fest:
1. Werkstoff: Kleben erlaubt Kombinationen von verschiedenen Werkstoffen.
2. Verarbeitung: Beim Kleben bleiben die Werkstoffeigenschaften erhalten.
3. Fügen: Es lassen sich zusätzliche Funktionen gezielt integrieren.
4. Konstruktion: In der Verbundbauweise verbessern die Bauteile ihre Eigenschaften.
Im Vergleich zum Nieten, Schrauben, Nähen und Schweißen – Techniken, die weiterhin ihre Berechtigung haben – weisen Klebverbindungen eine wesentlich gleichmäßigere Spannungsverteilung auf, so Groß. Dies sei bei dynamischen Anwendungen, beispielsweise im Fahrzeugbau, von Vorteil. Gleichzeitig führe das Kleben den Auto-, Zug-, Boots- und Schiffsbau in völlig neue Dimensionen, weil es beständige (Ultra-)Leichtbaukonstruktionen ermöglicht.
Professor Groß benannte gleichzeitig limitierende Faktoren des Klebens: Klebstoffe (und Klebungen) sind nur begrenzt thermisch belastbar. Bei der Langzeitbeständigkeit sind Degradationsmechanismen zu beachten. Auch chemische Beanspruchungen (Feuchtigkeit, Reinigungsmittel, Salze, Kühlmittel) und UV-Strahlung können ihnen empfindlich zusetzen. Ein Beispiel: Fahrzeugscheiben-Klebstellen müssen mit einer Gummiumrandung vor Sonneneinstrahlung geschützt werden.
Klebtechnik – eine ganzheitliche Betrachtung
Abseits aller technischen Erläuterungen führte der Referent wichtige Botschaften mit im Gepäck. Zunächst mahnte er eine ganzheitliche Betrachtung der Klebtechnik an. Von der Idee zum Produkt führte er zahlreiche Zwischenschritte auf:
Grundlagenwissen erwerben → Klebung planen → Werkstoffeigenschaften beachten → Klebung gestalten → den richtigen Klebstoff auswählen → Oberflächen reinigen / behandeln → Gebrauchssicherheit der Klebung nachweisen → Fertigung vorbereiten → Klebung fachgerecht ausführen
Für den Einsatz in der Praxis sei eine hohe Fertigungsqualität erforderlich. Die Qualität könne allerdings nicht „erprüft“ werden, jedenfalls nicht zu 100 Prozent, ohne das Prüfobjekt zu zerstören. Deshalb sei ein umfassendes Qualitätsmanagement erforderlich. Von Bedeutung seien die ISO 9001, verknüpft mit fachspezifischen Regelwerken, und die Anwendernorm DIN 2304. Analog zur Schweißtechnik brach Groß eine Lanze für die verstärkte Ausbildung von Klebfachingenieuren, Klebfachkräften und Klebpraktikern.
Beratungsanspruch an Technische Händler steigt
Mit der Klebtechnik treten auf der Anwenderseite neue Anforderungen an die Mitarbeiter auf. Professor Groß: „Mehr als 90 Prozent der Klebfehler gehen auf eine fehlerhafte Anwendung zurück.“ Als zentrale Ansprechpartner müssten Klebaufsichtspersonen alle qualitätsbeeinflussenden Faktoren von der Planung über die Fertigung bis zur Instandhaltung im Blick behalten und eine Hierarchie übergreifende Kommunikation gewährleisten.
Während die DIN 2304 den Anwendern die Rahmenbedingungen vorgibt und Hilfestellung leistet, unterliegt ihr der Technische Handel nicht. Eines sei aber klar, so Professor Groß:
Mit dem Siegeszug des Klebens wächst der Beratungsbedarf und mit ihm der Anspruch an das Know-how des Technischen Handels.Prof. Dr. Andreas Groß, Fraunhofer-Institut für Fertigungstechnik und Angewandte Materialforschung (IFAM) in Bremen
Im Rahmen seiner Kundenberatung sollte sich der Technische Handel jedoch nicht zu Klebe-Ratschlägen und -Anleitungen hinreißen lassen. In Anwendungsfragen kann und darf er sich nicht in die Verantwortung ziehen lassen. Sein Kompetenzbereich ist die Kenntnis und Bereitstellung qualitativ hochwertiger Kleber und Klebebänder sowie Systemangebote, beispielsweise aus dem Angebot der VTH-QUALITÄTSPARTNER.