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Händler und Hersteller parallel auf Amazon: Kann das gutgehen?
Ein Interview zum Thema Amazon mit Thomas Vierhaus, Geschäftsführendes Vorstandsmitglied des VTH Verband Technischer Handel e.V., für die fünfte Ausgabe der „IQ – Impulse für Qualität”.
IQ:
Wenn man die Suchfunktion bei Amazon entsprechend nutzt, stellt man fest, dass mittlerweile viele Marken der VTH-QUALITÄTSPARTNER in den Ergebnislisten auftauchen. Man hat fast den Eindruck, dass die Branche einen neuen Vertriebskanal entdeckt hat.
Thomas Vierhaus:
Der Eindruck täuscht nicht. Seit es Amazon Business gibt, bieten immer mehr Technische Händler ihre Produktpalette auf dem Marktplatz an. So tauchen die Marken unserer bekannten Hersteller vermehrt in den Suchergebnissen auf. Mittlerweile bedienen auch einige Lieferanten selbst diesen Vertriebskanal, so dass sich der Effekt verstärkt.
Welche Ziele verfolgen denn die Händler und Hersteller mit ihren Produktplatzierungen?
Ich hoffe, dass die Ziele der Händler andere sind als die der Hersteller. Die Händler wollen tatsächlich einen neuen, zusätzlichen Vertriebskanal austesten. Dabei haben sie vermutlich sowohl Bestandskunden als auch neue Kunden im Visier. Wenn das zugleich auch das Ziel der Hersteller wäre, würde sich daraus eine neue, bis dato unbekannte Wettbewerbssituation ergeben. Sollte es hingegen das erste Ziel der Hersteller sein, ihre Marken noch bekannter zu machen und dabei womöglich die Produktdaten auf dem Marktplatz zu verbessern, müsste man die Vorgänge differenzierter betrachten.
Aber wie kann man feststellen, was die Hersteller tatsächlich beabsichtigen?
Das ist in der Tat die große Herausforderung, vor der wir stehen. Drei geeignete Indizien sind die Preise, die von den Herstellern eingestellt werden, die Mengen, die die Kunden auswählen können und die Produkte, die angeboten werden. Darüber hinaus muss man die Kommunikation der Hersteller sorgfältig verfolgen und man muss die Hersteller direkt auf ihre Aktivitäten ansprechen, um eventuellen Missverständnissen vorzubeugen.
Welche Argumente der betroffenen Hersteller wären denn zu akzeptieren?
Wie bereits gesagt, kann die Präsenz auf diesem führenden Markplatz durchaus die Markenbekanntheit steigern. Amazon ist für viele Einkäufer mittlerweile die erste Suchmaschine geworden und hat Google ein Stück weit abgelöst. Zweitens wäre die Absicht, die Datenqualität zu verbessern, ein nachvollziehbarer Grund. Kein Hersteller möchte, dass fehlerhafte Produktangaben zu negativen Rezensionen führen. Da die Angaben der Händler oftmals nicht direkt beeinflussbar sind, streben Hersteller an, als sogenannter Vendor oder First-Party Seller von Amazon akzeptiert zu werden. Für den Endkunden zeigt sich dies als „Verkauf und Versand durch Amazon“ an. Dann ist Amazon verantwortlich, möchte deshalb natürlich die Originaldaten der Hersteller verwenden und überschreibt dabei auch abweichende Produktdaten von anderen Anbietern, um die Hoheit zu erlangen.
Aber es bleibt doch dann bei der Wettbewerbssituation?
Das stimmt leider und bereitet uns massives Kopfzerbrechen. Es ist einfach unglücklich, wenn Hersteller und Händler parallel beim Endkunden anbieten. Das führt zu Interessenkonflikten, weil der Kunde auswählen kann. Über die Preise, Mengen und Produkte könnten die Hersteller allerdings ein wenig Druck aus dem Kessel nehmen und sind klug beraten, wenn sie dies nutzen.
Es ist einfach unglücklich, wenn Hersteller und Händler parallel beim Endkunden anbieten.
Man hört von Herstellern, dass sie über Amazon Kunden erreichen wollen, die der Technische Handel nicht im Fokus hat.
Das Dumme ist nur, dass man es dem Kunden online nicht ansieht, wer er ist und wie groß er ist. Deshalb kann diese vorgebliche Selbstbeschränkung den Handel nicht wirklich beruhigen.
Sollten die Hersteller dann lieber komplett verzichten, um keinen Streit vom Zaun zu brechen?
Fest steht, dass wir mit Amazon vollkommen neue Probleme bekommen haben, die über das schiere Volumen dieses Markplatzes und seine Ambitionen als schwarzes Loch im Universum, das alles verschlingt, hinausgehen. Da wir das Rad aber nicht zurückdrehen können, müssen wir jetzt gemeinsam das Beste aus der Situation machen. Für mich heißt das, dass Handel und Hersteller untereinander ihre Ziele rund um das Thema Markplätze und eCommerce offen und transparent kommunizieren sollten, um das Streitpotential möglichst zu reduzieren, vielleicht sogar zu eliminieren. Und manchmal ist der Verzicht auf etwas tatsächlich besser, als sich mit seinen Kunden anzulegen. Wie heißt es so schön: Niemand hat je einen Streit mit einem Kunden gewonnen. Und während man bei Amazon vielleicht über fünfstellige Umsätze spricht, kauft der Handel nicht selten im sechs- oder siebenstelligen Bereich ein. Damit sollte der Fokus eigentlich klar sein.
Sollten die Händler im VTH das Thema offen mit den betroffenen VTH-QUALITÄTSPARTNERN besprechen?
Über 25 Jahre Erfahrung in meinem Job sagen mir, dass sprechenden Menschen meistens geholfen werden kann. Die Technischen Händler im VTH und führende Markenhersteller bilden die VTH-QUALITÄTSPARTNER-Initiative. Sie steht für das Ziel, die Dinge kooperativ anzupacken – zum Vorteil beider Seiten. So auch hier. Beide Gruppen dürfen zudem nicht vergessen, dass sie nicht allein im Markt agieren, schon gar nicht auf Amazon. Sorgen wir also gemeinsam dafür, die wahre Konkurrenz auf Abstand zu halten.
Wie kann das gelingen?
In der VTH-QUALITÄTSPARTNER-Initiative arbeiten wir mit messbaren Erfolgen daran, die Mehrwerte, die der Technische Handel bietet, zu kommunizieren. Wir machen sie vor allem den Einkäufern und Mitentscheidern auf Kundenseite deutlich.
Offensichtlich sind wir als VTH aber auch gut beraten, den Lieferanten immer wieder darzustellen, inwieweit sie vom Technischen Handel profitieren – nicht nur bei erklärungsbedürftigen und sicherheitsrelevanten Produktgruppen. Dann wird ein gemeinsamer, geschlossener Marktauftritt wieder an Kraft gewinnen.