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Transformation des Handels
Der Handel steht unter Druck: Kunden wandeln sich, Künstliche Intelligenz verändert alles. Wer jetzt auf Daten, Effizienz und eigene Stärken setzt, kann gefestigt aus der Krise hervorgehen.
Der Handel steht an einem Wendepunkt. Wettbewerbsdruck, Nachfragezurückhaltung, steigende Kosten und der technologische Umbruch durch Künstliche Intelligenz verändern die Spielregeln rasant. Gleichzeitig eröffnen sich neue Chancen – für alle, die Prozesse automatisieren, Kundendaten intelligent nutzen und ihre Kanäle neu denken.
Die Herausforderungen für Händler sind gewaltig: Der klassische Handel steht nahezu an einer der wichtigsten Gabelungen der Handelsgeschichte. Während große Player und Plattformen versuchen, den Markt zunehmend zu dominieren und Künstliche Intelligenz sowie mobile Apps das Einkaufsverhalten revolutionieren, stellt sich für viele Händler beinahe die Existenzfrage. Die Vorstellung eines einfachen Webshops, der viele Produkte an viele Kunden verkaufen soll, ist überholt. Die Zukunft gehört dem personalisierten, serviceorientierten und integrierten Einkaufserlebnis. Ganz wichtig dabei: Plattformen, KI und Apps sollten nicht als Wettbewerb betrachtet werden, sondern als Werkzeuge, die virtuos genutzt werden, um einen eigenen Kundenstamm aufzubauen.
Für Online-Shops bedeutet das einen radikalen Umbruch; als Leitkanal fällt er weitestgehend aus. Reichweite entsteht heute über Feeds und Empfehlungsmaschinen – nicht über hübsche Templates.
In der Praxis entsteht daraus ein noch stärkerer Wettbewerb mit enormer Preistransparenz. Wie können sich Händler in dieser Situation behaupten? Ein zentrales Stichwort lautet: Hybridstrategie. Marktplätze und Plattformen müssen als Reichweiten-Booster verstanden werden – ohne die eigene Marke aufzugeben. Die Lösung liegt darin, Plattformen zur Neukundengewinnung zu nutzen und gleichzeitig einen eigenen, starken Kanal aufzubauen. Dieser Kanal – ob spezialisierter Shop oder eigene App – muss einen Mehrwert bieten, den große Plattformen nicht leisten können: Persönlichkeit, Service, Einzigartigkeit.
Der Online-Handel wird nicht verschwinden, er transformiert sich, er wird zur Markenbühne. In einer Plattformökonomie, in der Amazon über 60 Prozent des E-Commerce kontrolliert, sei Markenidentität die härteste Währung. Kunden ertrinken in austauschbaren Produkten – 1.000 Anbieter pro Kategorie sind keine Seltenheit. Die Sehnsucht nach Authentizität explodiert. Profitable Händler werden zu Markenarchitekten. Die Überlebensformel lautet: Marktplatzpräsenz plus unverwechselbare Marken-DNA.
Und dann ist da natürlich noch das Dauerthema Künstliche Intelligenz, Chatbots und Agentic Commerce. Für viele Kunden wird KI zur Single Source of Truth für Produktempfehlungen, inklusive der Möglichkeit, das Produkt sofort und mit wenigen Klicks zu kaufen, ohne die KI-Umgebung zu verlassen. Dazu kommt ein enormer Preis- und Innovationsdruck. Chinesischen Plattformen wie Temu und Shein treiben nicht nur den Preiskampf auf die Spitze, sondern setzen auch neue Maßstäbe bei Agilität, Effizienz und schnellen Produktlebenszyklen. Weder möglichst billig aus seiner Garage zu verkaufen noch ein usability optimierter Online-Shop mit perfektem Frontend allein reichen für ein verlässliches Geschäftsmodell zukünftig aus.
Gerade für kleinere Anbieter ist das eine gewaltige Aufgabe: Chatbots – die neuen Gatekeeper im E-Commerce? „Bleiben ohne ausreichende Sortimentstiefe eine Randnotiz!“ Markenaufbau? „Schaffen die wenigsten!“ Preishoheit? „Selbstmord auf Raten!“ Das einzige Konzept, das trägt: „Angebotstiefe und Service und Information – und das radikal in der Nische!
Angesichts dieser Herausforderung ist es erfrischend, dass existente Praxisbeispiele zeigen, wie ein zeitgemäßes Konzept funktionieren kann, von der ersten Marktanalyse über die Channel-Strategien bis hin zu Prozessoptimierung und Hypergrowth-Strukturen. Aber solche Erfolgsgeschichten brauchen Effizienz und einen klaren Blick auf das Wesentliche: Automatisierung, Technologie und Daten. Der klassische Online-Handel hat eine Zukunft – aber nur, wenn er sich jetzt konsequent für die Zukunft aufstellt. Nur wer seine Daten beherrscht, kann Kunden wirklich verstehen, Prozesse automatisieren und Künstliche Intelligenz sinnvoll einsetzen. In der Realität kämpfen viele Händler dagegen mit fragmentierten Daten, Medienbrüchen und fehlender Systemintegration.
Datenqualität und -integration sind entscheidend, um KI gewinnbringend zu nutzen. Bei den meisten Händlern liegen Daten noch immer in Silos oder sind schlicht unzugänglich. Wer das ändert und seine Organisation ‚AI ready‘ macht, wird sich gegen Plattformen und Apps behaupten können.
Wer KI konkret in Handelsprozesse integrieren will, muss KI als Motor der Content Supply Chain verstehen und seine Produktdatenprozesse transformieren: Content-Workflows mithilfe von KI automatisieren – vom Bild-Tagging über Textgenerierung bis hin zu Video-Clipping und Übersetzungen. In Kombination mit No-Code-Prozessen können Fachabteilungen so eigenständig Content steuern und externe KI-Dienste flexibel einbinden.
Doch nicht jeder muss den Glauben an die grenzenlosen Fähigkeiten der KI teilen. Bei jeder Disruption geht die Angst um. Aber nicht alles wird obsolet. Der Online-Handel ist zu vielfältig, um vollständig durch KI ersetzt zu werden. Es wird sicherlich Verschiebungen geben, aber Händler haben noch genügend Zeit, um ihre Geschäftsmodelle anzupassen. Sie müssen nicht in Panik verfallen, sollten sich aber mit dem Thema auseinandersetzen und Dinge besser machen, als es eine KI kann.
Sichtbarkeit bleibe der zentrale Erfolgsfaktor – gerade in Zeiten, in denen KI-Suchmaschinen und Chatbots Inhalte vorfiltern. Ein Händler ohne Sichtbarkeit geht unter. Daher müssen Händler ihre Inhalte anpassen, um die Balance zwischen SEO, GEO und echter Nutzerrelevanz zu finden. Dabei lohnt es sich oft, nicht nur dort nach Sichtbarkeit zu suchen, wo alle schürfen. Umsatzschätze lassen sich auch an unkonventioneller Stelle heben.
Während die einen also das Fundament umbauen, rücken andere die Kundenseite in den Fokus. Kundenbindung ist der Schlüssel zu nachhaltigem Wachstum. KI-gestütztes Relationship Management ermöglicht es auch kleinen und mittleren Unternehmen, Kunden individuell anzusprechen und Loyalität messbar zu steigern. Die Bedeutung kanalübergreifender Payment-Systeme als Basis für konsistente Kundenerlebnisse muss in diesem Zusammenhang hervorgehoben werden – vom Online-Shop bis zur Filiale.
Der Handel steht an einem historischen Wendepunkt – zwischen Plattformdruck und technologischem Aufbruch. Transformation ist kein Modethema, sondern eine Überlebensstrategie. Sie betrifft nicht nur Technik, sondern Denken, Prozesse und Kultur. Plattformen liefern Convenience – Marken liefern Bedeutung. Der klassische Handel ist nicht am Ende – er erfindet sich neu.